Als Drucken noch eine Kunst war

Roberts Kolumne am 21. September 2008

Im Mainzer Gutenberg-Museum geht es zwar auch – wie der Name vermuten lässt – um Johannes Gutenberg, den Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, aber vor allem über das Drucken an sich. Der Übergang zwischen Handwerk und Kunst ist dabei fließend und auch die beteiligten Erfindern waren naturwissenschaftliche „Füchse“.

Mainz, Domstadt, Zweitligist, „auf der richtigen Seite des Rheins“ und natürlich die Stadt Johannes Gutenbergs. Der Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern aus Metall (genauer einer Legierung bestehend aus den Metallen Antimon, Blei sowie Zinn) wurde hier unter dem Namen „Gensfleisch“ geboren, lebte die meiste Zeit hier und starb auch in der Stadt. Es verwundert daher kaum, dass die Stadt ihrem bekannten Sohn mit einem Museum gedenkt. Der Schwerpunkt des Gutenberg-Museums liegt dabei nicht auf dem Nachzeichnen seines Lebens – vieles davon ist heute immer noch unbekannt – sondern auf dem, was aus seiner Erfindung wurde.

Bei der Texterstellung und -verarbeitung waren die Menschen schon recht früh kreativ, wenn es darum ging, Werke beliebig oft und für lange Zeit herstell- sowie haltbar zu machen. Nach fast 30 Jahren, einem historisch sehr kurzen Zeitraum, in dem aber bergeweise gedruckte Werke entstanden sind, besinnt man sich wieder zumindest der Haltbarkeit, Stichwort Open Document oder auch Internet Archive. Die „technische (oder auch politische) Haltbarkeit“ von Datenträgern muss hingegen noch optimiert werden, aber vielleicht fehlen uns hinterher trotzdem nur lächerliche 50 Jahre.

Aber zurück zum Drucken. Mit den diversen Stichvefahren war schon recht früh eine gute Reproduzierbarkeit gegeben, zudem ist die Technik so einfach, dass sie sogar als „Linoleum-Stich“ Einzug in den Kunstunterricht gefunden hat. Sehr beeindruckend finde ich die doch recht modern anmutenden Verfahren der Belichtung, z. B. Photoxylographie oder der Lithographie im Allgemeinen.

Die Photolithographie ist ein Verfahren, mit dem man Fotos auf eine Druckplatte bekommen kann. Wenn man allerdings bedenkt, was Druckplatte heißt, wird es interessant. Durch Abfotographieren des Bildes sowie des Negativs, welches um 90° gedreht ist, erhält man die Bildinformation in Zeilen und Spalten. Als „Film“ wird eine beschichtete Metallplatte,   Zink, verwendet, auf der man da Bild durch Belichten und Ätzen erhält. Dieses Prinzip findet heute immer noch Verwendung, bspw. bei der Herstellung von Halbleitern mittels entsprechender Lithographieverfahren.

Lithographie – dieses Wort enthält schon seinen Ursprung: Lithos ist griechisch und bedeutet Stein. Bei diesem Verfahren bringt man das Drucknegativ mit einer fetthaltigen Substanz auf Kalkstein auf bildet eine fettliebende Schicht, während die die Zwischenräume des Bildes hydrophob bleiben und Fett abstoßen. Da sich hier alles in einer Ebene abspielt, spricht man auch von Flachdruck. Da auch die Druckfarbe fetthaltig ist, dürfte spätestens hier klar sein, wie der Hase läuft: Farbe auftragen und dann das Papier daraufpressen.

Ein weiteres Handwerk, eine weitere Kunst, die die moderne Technik hat aussterben lassen, ist das Setzen, also das Zusammensetzen einzelner Worte aus den Lettern, das Zusammensetzen der Zeilen aus den Worten und das Erstellen ganzer Seiten aus den Zeilen. Der Rahmen, der eine Seite enthält, heißt dabei Schiff. Man kann sich gut vorstellen, was für eine Kleinteilarbeit das Setzen ganzer Bücher, vor allem wenn dann noch Formeln und Abbildungen dazukamen, war: Der Setzer war schließlich für das Layout, also das schöne Aussehen und Lesen, verantwortlich. Wie man im Gutenberg-Museum sehen kann, wurden damals für Abbildungen Leerräume im Text gelassen – etwas, was dem geneigten TEXniker evtl. bekannt vorkommen dürfte. Für Blocksatz gab es da schon variable Wortzwischenräume, aber so richtig professionell wurde das ganze mit den Gieß- und Setzmaschinen: Der Setzer tippte das Manuskript ab, die Maschine sammelte mit jedem Tastendruck die Buchstaben und goss daraus ganze Zeilen. Einige der ausgestellten Maschinen optimierten mittels „Federn“ sogar die Wortzwischenräume. Die in jedem TEX-Buch gegebene Analogie ist also gar nicht so weit hergeholt.

Apropos TEX: Wenn man sich einmal mit diesem faszinierenden Handwerk, mit seiner Kunst bekannt gemacht hat, versteht man umso mehr, was hinter TEX steht, welche genialen Ideen und Jahrhunderte alten Techniken Donald E. Knuth „in Software gegossen“ hat. Und deshalb ist TEX auch heute noch so vielen Textverarbeitungen weit voraus: Ich bin der Autor und TEX ist der Setzer; ich weiß, wie man schreibt und TEX, wie man setzt, es gibt kein „gefährliches Halbwissen“. Herr Knuth, Chapeau! Und Typographie ist schon eine sehr interessante Kunst.

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